Voll verplant?! – Zeitmanagement während des gesamten Lernprozesses

Zeitmanagement ist nur zum Lernbeginn wichtig? Stimmt nicht. Zeitmanagement spielt in jeder Phase des Lernens eine wichtige Rolle, vor allem wenn Lerner ihren Lernprozess selbst steuern und regulieren müssen.

[Anmerkung zum Text: Ich rede im Text von „Lernern“ und „Lehrern“, gemeint sind damit grundsätzlich alle Geschlechter. Außerdem beziehen sich diese Bezeichnungen nicht nur auf Personen in der Schule, sondern beispielsweise auch auf die Ausbildung und auf alle weiteren Lernumfelder.]

Was ist Zeitmanagement?

Zeitmanagement muss man eigentlich schon nicht mehr erklären, denn fast jeder hat davon schon gehört. Es geht darum seine Zeit möglichst effizient einzusetzen, um seine Ziele zu erreichen. Meist wird Zeitmanagement dann für Lerner interessant, wenn sie selbstständig (bzw. selbstreguliert) lernen sollen.

In der Forschung gibt es keine Einigkeit darüber, welche Elemente zum Zeitmanagement gehören. Klar ist jedoch, dass es sich um einen multidimensionalen Prozess handelt. Dieser Prozess beinhaltet:

  • Setzen und Priorisieren von Zielen
  • Kurz- und Langzeitplanung
  • Einschätzung von Zeitbedarf
  • Überwachung der aufgewendeten Zeit
  • Strukturierung und Zuordnung, wie viel Zeit verwendet wurde

Effektives Zeitmanagement bedeutet, dass Lerner selbst unter sich verändernden Bedingungen ihre Zeit sinnvoll nutzen. Dazu gehört, dass Lerner die eigenen Ziele verfolgen und Ablenkungen, Prokrastination (=Aufschieben) und andere Zeitvergeudungen vermeiden.

Gutes Zeitmanagement beinhaltet:

  • einen Planer oder Kalender nutzen,
  • einem täglichen (Stunden-)Plan folgen,
  • eine To-do-Liste schreiben,
  • die genutzte Zeit aufschreiben,
  • sich selbst Erinnerungen schreiben,
  • sich persönliche Deadlines setzen,
  • vergeudete Zeit reduzieren,
  • den eigenen Arbeitsplatz organisieren.

Zeitmanagement während des gesamten Lernprozesses

Wenn man davon ausgeht, dass Lerner vor allem dann Fähigkeiten im Zeitmanagement benötigen, wenn sie allein lernen oder arbeiten sollen, bietet es sich an, das Thema Zeitmanagement mit dem selbstregulierten Lernen zu verbinden. Das bedeutet, dass der Lernprozess in die folgenden drei Phasen unterteilt werden kann: vor dem Lernen, während des Lernens und nach dem Lernen.

Lernphase I: Vor dem Lernen

Vor dem eigentlichen Lernen oder Arbeiten ist es notwendig, dass Lerner Wissen, Überzeugungen und Einstellungen aktivieren und über diese Punkte nachdenken – sowohl bei der Analyse der Aufgabe als auch bei der Planung der nachfolgenden Arbeitsschritte.

Für die Analyse der Aufgabe (bzw. Aufgabenstellung) benötigt der Lerner inhaltliches aber auch strategisches Wissen. Doch auch seine Emotion, seine Motivation und seine Überzeugungen sind dabei von Bedeutung, da sie den Lernprozess beeinflussen können. Die Planung beinhaltet, dass sich die Lerner Ziele und Maßstäbe setzen, um herauszufinden, ob sie dem Ziel näher kommen. Nicht zuletzt gehört dazu, dass Lerner passende Lernstrategien für die Aufgabenbearbeitung auswählen.

Auf das Zeitmanagement übertragen, müssen Lerner …

  • einschätzen, wie viel Zeit sie benötigen.
  • gewillt sein, Zeit und Anstrengung zu investieren.
  • Zeitmanagementstrategien kennen und auswählen.
  • eigene Überzeugungen zur persönlichen Produktivität kennen (z.B. ich lerne morgens am besten).
  • Informationen über die Aufgaben-Deadline berücksichtigen.
  • für die zur Verfügung stehende Zeit Ziele und Prioritäten setzen.
  • sich selbst Ziele setzen, wann die Aufgabe fertig bearbeitet ist.
  • sich zeitbezogene Standards setzen, damit sie wissen, dass sie vorankommen bzw. erfolgreich sind.

Lernphase II: Während des Lernens

Nach den Vorüberlegungen und der Planung können die Lerner nun mit dem eigentlichen Lern- oder Arbeitsprozess beginnen. Die zweite Lernphase beinhaltet sowohl die Ausführung, die Überwachung, die Evaluation als auch die Anpassung.
In der Ausführung setzen die Lerner verschiedene Lernstrategien ein, um ihre Ziele zu erreichen. Während der Lern- oder Arbeitsphase überwachen die Lerner ihr Handeln, indem sie beispielsweise die Lernzeiten notieren. Nach der Überwachung schließt sich die Evaluation an, in der die Lerner auswerten, ob sie ihren Lernzielen oder ihren Erwartungen näher gekommen sind. Aus diesem Vergleich erhalten die Lerner Feedback, ob ihre Lernstrategien effektiv waren und ob sie noch über persönliche Ressourcen (z.B. Motivation) verfügen. Sollten die Lerner bei der Evaluation feststellen, dass sie wie geplant vorankommen, können sie einfach weiterarbeiten. Ist dies jedoch nicht der Fall, müssen sie Anpassungen vornehmen. Diese Anpassungen oder Veränderungen beziehen sich aber nicht nur auf die eingesetzten Lernstrategien, sondern auch auf die Motivation, die Emotionen oder die Lernumgebung.

Auf das Zeitmanagement übertragen, müssen Lerner …

  • überlegen, wann und wie lang sie lernen (z. B. mithilfe von Kalender oder To-Do-Liste).
  • ihr Lernen formell (z.B. mit Lerntagebuch oder Notizen) oder informell (z.B. auf die Uhr sehen, wie viel Zeit seit Lernstart vergangen ist) überwachen.
  • ihre Emotionen und Motivation überwachen.
  • überwachen, zu welcher Uhrzeit sie die Aufgabe bearbeiten.
  • ihr Lernen über einen kurzen (wenige Stunden) oder langen (mehrere Monate) Zeitraum überwachen.
  • überprüfen, ob sie ihren aufgestellten Plan einhalten und die eingeplante Zeit ausreicht.
  • auf Planabweichungen oder Störungen reagieren, indem sie beispielsweise die Lernstrategien oder die Lernumgebung verändern, sich selbst motivieren oder körperlichen Bedürfnissen nachgehen (z.B. Raum lüften oder Wasser trinken).

Lernphase III: Nach dem Lernen

Auch wenn die Lerner die eigentliche Aufgabe schon abgeschlossen haben, erfolgen noch weitere lernrelevante Schritte, die ebenfalls mit dem Thema Zeitmanagement verbunden sind: die Reflexion und die Reaktion auf das Lernergebnis.
Die Reflexion ist ähnlich der Evaluation im vorangegangenen Abschnitt. Die Lerner stellen dabei ihre Lernergebnisse (z.B. ein Feedback, eine Note) ihrem Lerneinsatz gegenüber. Außerdem suchen die Lerner nach Gründen (Attribution), wie es zu diesem Lernergebnis kommen konnte. Auf die Reflexion folgt dann eine Reaktion der Lerner, die auch eine Folge der Ursachensuche ist. Diese Reaktion wirkt sich wiederum auf kommendes Planen, Lernen oder Arbeiten aus. Die Lerner verbessern außerdem ihr Metawissen (z.B. wann setzte ich welche Lernstrategie am besten ein), verändern ihre Überzeugungen (z.B. das Fach ist schwer) und Einstellungen (z.B. Musikhören hilft mir, mich zu konzentrieren) zum Lernen, welche wiederum spätere Lernentscheidungen beeinflussen.

Auf das Zeitmanagement übertragen, müssen Lerner …

  • in ihre Reflexion die aufgewendete Zeit einbeziehen. (Hat die Aufgabe mehr oder weniger Zeit in Anspruch genommen als erwartet?)
  • überlegen, wann sie die Aufgabe bearbeitet haben bzw. gelernt haben (Tageszeit oder Wochentag).
  • Überlegen, ob die angesetzte Zeit für die Aufgabe oder zum Lernen ausreichend war (zu wenig gearbeitet bzw. gelernt).
  • Schlussfolgern, wie viel Zeit sie zukünftig für ähnliche Aufgaben brauchen werden.
  • Schlussfolgern, wann sie am besten lernen bzw. arbeiten können.
  • Schlussfolgern, welche Zeitmanagementstrategien ihnen zukünftig am besten helfen werden.

Mein Kommentar:

Spätestens wenn man eine Abschlussarbeit schreibt oder das erste Mal über längere Zeit selbst für sein Lernen verantwortlich ist, merkt man, wie wichtig Zeitmanagement beim Lernen ist. Man macht sich große Pläne und muss sehr schnell feststellen (vor allem, wenn man eine neue Art von Lernprojekt beginnt), dass alles hinfällig ist, weil man eben doch viel langsamer vorankommt, als geplant. Spätestens dann weiß man, dass man mit einem einzigen Zeitplan oft nicht auskommt, selbst wenn die Deadline die gleiche bleibt. Doch allein mit einem Zeitplan in der Hand ist es eben auch nicht getan. Sich selbst im Blick zu haben und immer wieder zu überlegen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist, ist nicht nur anstrengend, sondern auch ein Lernprozess.

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Quelle

Wolters, C. A., & Brady, A. C. (2020). College Students’ Time Management: A Self-Regulated Learning Perspective. Educational Psychology Review. https://doi.org/10.1007/s10648-020-09519-z