Feed up, Feed back, Feed forward – Kompetenzförderliche Leistungsrückmeldung

Toll gemacht!“ „Du hast wirklich Talent.“ „Dein Aufsatz enthielt viele Fehler.“ Diese Art von Rückmeldungen zu Lernleistungen sind weit verbreitet, doch leider nicht immer kompetenzförderlich. Wie Sie Ihren Lernern Rückmeldung geben, die wirklich weiterhilft, lesen Sie hier.

[Anmerkung zum Text: Ich rede im Text von „Lernern“ und „Lehrern“, gemeint sind damit grundsätzlich alle Geschlechter. Außerdem beziehen sich diese Bezeichnungen nicht nur auf Personen in der Schule, sondern beispielsweise auch auf die Ausbildung und auf alle weiteren Lernumfelder.]

Feedback und Lernen

Feedback ist eine Information an den Lerner, die auf seine Lernleistung folgt. Feedback kann auch als Ist-Soll-Differenz verstanden werden, die zeigt, was der Lerner können soll und welche Leistung er im Test gezeigt hat.

Doch nicht jede Rückmeldung ist für die Kompetenzentwicklung der Lerner förderlich. Die Pädagogische Psychologie beschäftigt sich schon länger mit der Frage, wie Feedback formuliert sein soll, damit es Lerner bestmöglich unterstützt. In diesem Beitrag steht das Feedback-Modell von John Hattie und Helen Timperley im Fokus, welches auf Basis empirischer Forschung erstellt wurde.

Das Feedback-Modell beginnt mit einem Ziel, das der Lerner erreichen soll. Da der Lerner das Ziel jedoch noch nicht erreicht hat – seine Leistungen oder Kompetenzen noch nicht ausreichen – entsteht ein Lücke (Ist-Soll-Diskrepanz). Um diese Lücke zu schließen hat der Lerner folgende Möglichkeiten: er kann sich anstrengen und gute Lernstrategien einsetzen oder das Ziel absenken bzw. verändern oder ganz aufgeben. Auch der Lehrer hat Möglichkeiten die Lücke zu schließen. Er kann dem Lerner geeignete (Teil-)Ziele anbieten oder den Lerner durch effektives Feedback unterstützen.

Um zu klären, wie effektives Feedback genau aussieht, gibt das Modell drei Fragen und vier Stufen an:

Drei Fragen bzw. Komponenten von Feedback

  1. Feed up: Was ist das angestrebte Ziel? (Lernintention, Ziele, Erfolgskriterien)
  2. Feed back: Wie weit ist der Lerner vom Ziel entfernt?
  3. Feed forward: Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zum Ziel?

Während Lerner sehr oft Feed back zu ihrer Leistung erhalten, fehlen allerdings oft Feed up und Feed forward in den Rückmeldungen. Für eine effektive Rückmeldung sind jedoch Antworten auf alle drei Fragen notwendig.

Vier Bezugspunkte bzw. Stufen von Feedback

Aufgabe: Feedback, ob der Lerner die Aufgabe korrekt gelöst hat (evaluatives Feedback).
Diese Form von Feedback erhalten Lerner sehr häufig. Jedoch ist diese Art der Rückmeldung nur dann lernförderlich, wenn die Aufgabe wenig komplex ist und der Lerner genau weiß, worauf sich das Feedback bezieht (z.B. bei einer richtig/falsch-Aufgabe). Auch wenn Lerner Arbeitsprozesse automatisieren sollen, ist diese Rückmeldung hilfreich. Bei komplexen Aufgaben hingegen, wie beispielsweise einem Aufsatz, ist diese Form der Rückmeldung nicht lernförderlich.
Beispiel: Eine Note; „Prima!“ [Dieses und die nachfolgenden Beispiele stammen aus dem Text von Kollar und Fischer (2019)]

Prozess: Feedback zum Lernprozess (Hinweisgebundenes Feedback)
Bei komplexeren Aufgaben ist das Feedback zum Lernprozess für die Lerner hilfreicher. Dabei erfahren sie, ob sie bei der Aufgabenbearbeitung alle dazugehörigen Schritte ausgeführt haben und die richtigen Strategien angewendet haben. So erhalten Lerner eine Rückmeldung, ob ihr Vorgehen effektiv war, um die Aufgabe zu lösen.
Beispiel: „Deine Argumentation berücksichtigt bisher nur eine Art von Gegenargumenten. Neben den Schlussfolgerungen könntest du auch die Prämissen angreifen.“

Selbstregulation: Feedback zur Selbstregulation
Diese Form von Rückmeldung ist dann hilfreich, wenn der Lerner den Prozess der Aufgabenbearbeitung bereits kennt. (Sollte das nicht der Fall sein, benötigt der Lerner Rückmeldung auf der Stufe „Prozess“.) In dieser Form des Feedbacks erhält der Lerner Informationen darüber, wie er seinen Lernprozess überwacht, gesteuert und gestaltet hat.
Beispiel: „An dieser Stelle war dein Argument nicht stichhaltig. Bitte prüfe, was du in der Vorbereitung auf die Diskussion anders hättest machen können, um zu einem besseren Argument zu kommen.“

Selbst: Persönliche Bewertung
Bei dieser Form der Rückmeldung geht es nicht nur um die Leistung, sondern um die gesamte Persönlichkeit des Lerners. Dieses Feedback ist jedoch nicht lernförderlich und hat teilweise sogar negative Auswirkungen auf den Lerner. So können sich Lerner durch diese Art von Feedback in ihrem Selbstwert bedroht fühlen und beispielsweise das Feedback schlechter verarbeiten.
Beispiel: „Du bist ein intelligenter Schüler.“

Lerner erhalten häufiger Feedback auf der Stufe der „Aufgabe“. Dies kann für Anfänger auf einem Lerngebiet hilfreich sein, die wenig komplexe Aufgaben bearbeiten. Rückmeldungen für geübte oder fortgeschrittene Lerner auf den Stufen „Prozess“ und „Selbstregulation“ führen hingegen zu tieferem Verständnis des Lernstoffs.

Rahmenbedingungen von Feedback

  • Kriterien & Standards: Zu Beginn oder während des Lernprozesses sollten die Standards und Kriterien (z.B. für eine erfolgreiche Bearbeitung einer Aufgabe oder Lerneinheit) für die Lerner klar formuliert und ersichtlich sein. Das beinhaltet auch, dass Lehrer Lernziele verdeutlichen und mit Musterbeispielen arbeiten. Mit Hilfe dieser Standards und Kriterien kann dann das Feedback für den Lerner formuliert werden (während oder am Ende einer Lerneinheit).
  • Formatives Feedback: Anstatt einmaliges Feedback am Ende einer Lerneinheit zu erhalten, kann es für Lerner hilfreich sein, regelmäßig Rückmeldung über ihren Lernfortschritt zu erhalten. Eine vollständige Feedbackschleife können Lerner nur dann vollziehen, wenn sie nicht nur Feedback erhalten, sondern auch wissen, wie sie dieses interpretieren und passende Lernaktivitäten anschließen (= Feed-Forward). Das bedeutet: Lerner brauchen nach dem Feedback die Möglichkeit, sich verbessern zu können. Feedback stellt somit nicht das Ende eines Lernprozesses dar.
  • Selbsteinschätzung: Lerner können Kriterien und Standards auch eigenständig auf ihre Lern- oder Arbeitsergebnisse anwenden. So können sie selbst einschätzen, ob ihre Lern- und Arbeitsergebnisse den gesetzten Anforderungen entsprechen oder ob sie diese verbessern müssen. Die Selbsteinschätzung von Lern- und Arbeitsergebnissen ist dabei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum selbstregulierten Lerner. Kompetente Selbsteinschätzung müssen Lerner jedoch erlernen und regelmäßig üben. Dabei kann es beispielweise helfen, wenn Lerner anderen Lernern Feedback geben (Peer-Feedback).
  • Feedback-Annahme durch den Lerner: Selbst wenn Feedback alle oben genannten Kriterien erfüllt, bedeutet das nicht, dass der Lerner dieses auch aufnimmt. Klare Kriterien und Standards sowie das gesamte Feedback-Modell helfen jedoch, Feedback transparent zu machen und nächste Schritte aufzuzeigen, damit der Lerner sich verbessern kann.

Mein Kommentar

Hat Ihr Navigationssystem im Auto Sie je gelobt? Sind Sie schon mal rechts abgebogen und es sagte „Toll gemacht, Sie haben wirklich Talent zum Autofahren!“. Hat es nicht? Das könnte daran liegen, dass Ihnen diese Information auch gar nichts nützt, wenn Sie mit Ihrem Auto an einer Kreuzung stehen und nicht wissen, wohin Sie fahren sollen. Wenn Sie das Navigationssystem benutzen, dann haben Sie vermutlich ein ganz konkretes Ziel, wo Sie hinfahren möchten (Feed up). Sie erfahren dann auf der Kilometeranzeige zum Ziel, ob Sie sich dem Ziel nähern oder weiter entfernen (Feed back). Wenn Sie Ihr Ziel noch nicht erreicht haben, sagt Ihnen Ihr Navigationssystem, was Sie als nächstes tun sollen, um Ihrem Ziel näher zu kommen, z.B. in 500 m rechts abbiegen (Feed forward). Sie erhalten ein wirklich hilfreiches Feedback, das darüber hinaus auch nicht Ihren Selbstwert bzw. Ihren Fahrstil angreift.

Dennoch gibt es immer wieder Verwirrung, wenn es heißt, dass man Lerner nicht loben soll. Lob dient zum Verhaltensaufbau, beispielsweise bei einem gewünschten Arbeitsverhalten („Toll, dass ihr in dieser Diskussion die anderen erst ausreden lasst, bevor ihr euch zu Wort meldet.“). Wenn es jedoch wie beim Lernen darum geht, Wissen, Fähigkeiten oder Kompetenzen aufzubauen, ist ein Lob im Gegensatz zu strukturierten Feedbackinformationen nicht hilfreich.

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Quellen

Brooks, C., Carroll, A., Gillies, R. M., & Hattie, J. (2019). A Matrix of Feedback for Learning. Australian Journal of Teacher Education, 44(4).

Hattie, J. (2015). Lernen sichtbar machen. (W. Beywl & K. Zierer, Hrsg.) (3., erweiterte  Auflage mit Index und Glossar.). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Kollar, I. & Fischer, F. (2019). Lehren und Unterrichten. In D. Urhahne, M. Dresel & F. Fischer (Hrsg.), Psychologie für den Lehrberuf (S. 333–351). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.