Ist das wirklich Wissensaufbau oder nur Informationsmanagement?

Kennen Sie den Unterschied zwischen Wissensaufbau und Informationsmanagement? Kennen ihn Ihre Lerner auch? Während es heutzutage immer wichtiger wird, Unmengen neuer Informationen zu managen, sollte man dies nicht mit Lernen verwechseln. Denn Wissensaufbau geht anders.

[Anmerkung zum Text: Ich rede im Text von „Lernern“ und „Lehrern“, gemeint sind damit grundsätzlich alle Geschlechter. Außerdem beziehen sich diese Bezeichnungen nicht nur auf Personen in der Schule, sondern beispielsweise auch auf die Ausbildung und auf alle weiteren Lernumfelder.]

Was bedeutet Informationsmanagement?

Informationsmanagement bedeutet, Informationen aus verschiedenen Quellen für verschiedene Zielgruppen, Zwecke und in verschiedenen Formaten zu organisieren, regulieren und zu kommunizieren. Daher ist Informationsmanagement unter anderem bei kleinen Aufgaben wichtig. Man muss und kann sich schließlich nicht alle Informationen merken, die an einem Tag auf einen einströmen.

Ein Beispiel: Sie wollen einen Termin bei Ihrem Hausarzt vereinbaren. Dann suchen Sie die Telefonnummer heraus, rufen an, vereinbaren einen Termin und tragen diesen in Ihren Kalender ein. Sie müssen sich weder die Telefonnummer noch den Termin langfristig merken. Auch ist es unnötig, dass Sie weitere Quellen heranziehen, um Ihren Termin zu bestätigen. Um einen Termin zu vereinbaren reichen also oberflächliche und reaktive Denkprozesse.

Auch Lerner stehen oft einer großen Informationsflut entgegen und versuchen den Kopf über Wasser zu halten. Dafür nutzen sie häufig Informationsmanagement. Das wiederum hängt aber auch mit der Art der Aufgaben zusammen. Viele Aufgaben, die Lerner zu bewältigen haben, werden von außen an sie heran getragen und haben wenig persönliche Relevanz sie. Daher setzen sie sich auch nicht mehr als nötig mit diesen Aufgaben auseinander. Sie arbeiten ihre To-Do-Listen ab, um letztlich die Noten und Abschlüsse zu bekommen, die sie brauchen. Tieferes und genaueres Nachfragen, Infragestellen oder Nachdenken ist im Angesicht der langen To-Do-Listen oft nicht möglich oder einfach ineffektiv.

Doch auf der anderen Seite ist Informationsmanagement eine wichtige Kompetenz im 21. Jahrhundert. Dazu gehört beispielsweise, wichtige und unwichtige Informationen schnell zu sortieren oder Aufgaben und deren Bestandteile rasch zu erfassen und zu bearbeiten. Der Umgang mit vielen Medien und Informationen, erfordert Informationsmanagement. Aber die Frage ist, wissen Lerner, wann sie Informationen lediglich managen müssen und wann sie besser Wissen aufbauen sollten?

Was bedeutet Wissensaufbau?

Wissensaufbau bedeutet, Informationen zu analysieren und zu verarbeiten. Dabei überprüft der Lerner, ob die Information überhaupt richtig und zukünftig wichtig genug ist, dass er sie im Gedächtnis behalten möchte. Ziel ist es, das Wissen in bekannten aber auch in unbekannten Situationen einzusetzen und es auch zu unspezifischen Zwecken zu verwenden.

Ein Beispiel: Sie möchten etwas über Lernstrategien erfahren, um sich auf eine zukünftige Abschlussprüfung vorzubereiten. Sie haben sich von sich aus dazu entschieden, denn Sie möchten in der Prüfung gut abschneiden. In der Stadtbücherei suchen Sie nach geeigneten Bücher und finden ein Buch, das Ihnen besonders zusagt. Sie haben sich über die Qualifikation des Autors informiert. Sie lesen das Buch Kapitel für Kapitel, machen sich Notizen und überlegen, wie Sie die vorgeschlagenen Lernstrategien für Ihre Vorbereitung auf die Abschlussprüfung nutzen können. Diese Aufgabe ist nicht einfach und es dauert zwei Wochen, bis Sie das Buch gelesen und passende Lernstrategien für sich gefunden haben. Das neue Wissen über Lernstrategien hilft Ihnen aber nicht nur, um die Prüfung zu bestehen. Sie können es auch zukünftig nutzen, um beispielsweise eine neue Fremdsprache zu lernen.

Der Lerner braucht die Intention, die Informationen tief zu verarbeiten und sie längerfristig im Gedächtnis zu behalten, um Wissen aufzubauen. Er muss nicht nur wichtige Informationen erkennen, sondern sie kritisch beurteilen oder reflektieren und ihren Wahrheitsgehalt und ihre Glaubhaftigkeit überprüfen. Dazu muss der Lerner sich deutlich mehr kognitiv anstrengen und verschiedene mentale Prozesse und Strategien einbeziehen als beim Informationsmanagement.

Wie kann man seine Lerner unterstützen?

  • Zeit: Wissensaufbau braucht Zeit und muss gut unterrichtet werden. Das funktioniert nicht, wenn Kurs-, Lehr- oder Bildungspläne vollgestopft werden und Themen nur noch angerissen anstatt unterrichtet werden können.
  • Prüfungsformen: Lerner passen sich beim Lernen den Prüfungsformen an. Das bedeutet, wenn Prüfungen nur oberflächliches Faktenwissen abfragen, werden Lerner sich entsprechend vorbereiten. Wenn Prüfungen jedoch verlangen, dass Lerner ihr Wissen auf neue Sachverhalte anwenden, Gelerntes kritisch beurteilen oder ihre Behauptungen begründen müssen, ist oberflächliches Auswendiglernen nicht mehr ausreichend.
  • Informationsmanagement lehren: Auch wenn Wissensaufbau wünschenswert ist, brauchen Lerner Informationsmanagement, um beispielsweise relevante von irrelevanten Informationen zu trennen und Aufgaben richtig zu erfassen. Dabei sollte Informationsmanagement nicht generell, sondern innerhalb der einzelnen Fächer gelehrt werden, da der Transfer zwischen Disziplinen sehr schwierig ist.
  • Wissensaufbau lehren: Um Wissen tiefgreifend aufzubauen, müssen Lerner auch die Kriterien für die Begründung und Rechtfertigung ihres Wissens erlernen. Da Lerner eben meist noch keine Experten in einem Fach sind, muss ihnen gezeigt werden, wie Wissen in einem Fach geschaffen und bewiesen wird und nach welchen Kriterien die Güte von Quellen beurteilt werden. Dazu gehört auch, dass Lerner hilfreiches und nützliches Feedback zu ihren Leistungen erhalten.

Mein Kommentar:

Aus meiner Sicht trifft die Frage „Informationsmanagement oder Wissensaufbau?“ ins Herz der Diskussion um Bildung. Es wird oft vergessen, dass Wissensaufbau Zeit braucht und Lerner deshalb nicht durch unendlich viele Themen und Stoffgebiete „gejagt“ werden können, wenn das Wissen langfristig bleiben soll. Sich mehr Zeit für Methoden und Strategien zu nehmen, wäre durchaus sinnvoller. Dann könnten Lerner erfahren, wie gutes Informationsmanagement funktioniert und wie es sich vom Wissensaufbau unterscheidet. Sie würden darüber hinaus lernen, wie sie ihr Wissen aufbauen, reflektieren und hinterfragen können. Auch für Kurs-, Bildungs- und Lehrpläne gilt: Weniger ist mehr.

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Quelle:

Alexander, P. A. (2018). Information Management Versus Knowledge Building: Implications for Learning and Assessment in Higher Education. In O. Zlatkin-Troitschanskaia, M. Toepper, H. A. Pant, C. Lautenbach & C. Kuhn (Hrsg.), Assessment of learning outcomes in higher education. Cross-national comparisons and perspectives (S. 43–56). Cham, Switzerland: Springer.