Langeweile – Die Nummer 1 unter den Lernemotionen

Das Phänomen, dass sich Zeit ausdehnen oder zusammenziehen kann, kennt fast jeder Lerner. Während manche Lerneinheiten wie im Flug vergehen, ziehen sich andere wie Kaugummi. Und dann ist sie da, die Langeweile.

 

[Anmerkung zum Text: Ich rede im Text von „Lernern“ und „Lehrern“, gemeint sind damit grundsätzlich alle Geschlechter. Außerdem beziehen sich diese Bezeichnungen nicht nur auf Personen in der Schule, sondern beispielsweise auch auf die Ausbildung und auf alle weiteren Lernumfelder.]

Was ist Langeweile und wie entsteht sie?

Eine allgemein anerkannte Definition von Langeweile gibt es bisher nicht. Langeweile ist jedoch abhängig von der eigenen Bewertung (subjektiv) und wird meist als leicht negativ erlebt. Die fünf Komponenten einer Emotion lassen sich auch auf Langweile anwenden.

Langeweile besteht dabei aus einer…

  • affektiven Komponente (unangenehm),
  • kognitiven Komponente (Zeit vergeht subjektiv langsam),
  • motivationalen Komponente (Wunsch, die Situation zu verlassen),
  • physiologischen Komponente (niedrige körperliche Aktivierung) und
  • expressiven Komponente (in Stimme, Gesichtsausdruck und Körperhaltung).

Langeweile entsteht, wenn eine Situation als bedeutungslos eingeschätzt wird. Diese Einschätzung kann zwischen verschiedenen Lernern einer Lerngruppe jedoch unterschiedlich ausfallen – was den einen interessiert, findet ein anderer langweilig. Darüber hinaus ist Langeweile aber auch von den eigenen Bedürfnissen und Persönlichkeitsmerkmalen abhängig: Anstrengungsbereitschaft, Fähigkeitsselbstkonzept und kognitiven Fähigkeiten (z.B. Unterforderung, Überforderung).

Wie wirkt sich Langeweile auf das Lernen aus?

Langeweile kann sich zum einen negativ auf das Lernen auswirken, indem sie…

  • Motivation und Engagement der Lerner sinken lässt,

  • die Aufmerksamkeit der Lerner zu anderen (interessanteren) Dingen wandern lässt,

  • zu oberflächlichen Lernstrategien führt und die Auswahl von passenden Lernstrategien einschränkt und

  • sich letztlich auch negativ auf den Lernprozess und die Lernleistungen auswirkt.

Langeweile kann jedoch auch zu positiven Effekten führen, die bisher aber noch nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht wurden. Langeweile könnte…

  • die Kreativität der Lerner anregen,

  • die Selbstreflexion der Lerner fördern,

  • innovative Gedanken fördern oder

  • auch zur Entspannung beitragen.

Was führt zu Langeweile im Unterricht?

Langeweile bezieht sich laut Studien nicht auf ein bestimmtes Unterrichtsfach, sondern vielmehr auf die Gestaltung von Unterricht. Folgende Faktoren führen laut Forschung zu Langeweile im Unterricht:

  • Mangelnder Bezug zur Lebenssituation der Lerner

  • Unterforderung oder Überforderung (Überforderungs- und Unterforderungslangweile)

  • Ungenutzte Lernzeit (Leerzeit), z.B. Warten auf andere

  • Inhaltliche und methodische Monotonie

  • Mangelnde Aktivierung der Lerner (z.B. beim Warten oder Zuhören)

Wie kann man mit Langeweile umgehen?

Mit Emotionen kann man sowohl auf der kognitiven Ebene als auch auf der Verhaltensebene umgehen. Hinzu kommen die Möglichkeiten die Situation aufzulösen oder aber ihr zu entfliehen.

Auf der kognitiven Ebene (= Gedanken-Ebene) haben Lerner die Möglichkeit…

  • ihre Wahrnehmung zu verändern, indem sie sich überlegen, warum die Aufgabe oder die Lerninhalte für sie wichtig sind oder

  • gedanklich abzuschweifen und an etwas anderes zudenken.

Auch auf der Verhaltensebene können Lerner mit Langeweile umgehen. Sie können…

  • aktiv werden und durch eigene Handlungen die Lernumgebung mitgestalten oder

  • der Langeweile durch andere Handlungen entkommen z.B. sich mit jemanden unterhalten.

Die beste Strategie für Lernen ist laut Forschungsergebnissen, wenn sie ihre Wahrnehmung verändern und die langweilige Lernsituation neu bewerten. Denn das wirkt sich positiv auf Motivation, Emotionen und die kognitiven Prozesse beim Lernen aus und somit auch auf die Lernleistung.

Tipps zur Reduzierung von Langeweile

(aus Götz et al. (2018))

  • Den Lernern den Wert von Aufgaben und Inhalten erklären (z.B. Relevanz im Alltag, Anknüpfung an Lebenswelt der Lerner)

  • Aufgabenanforderung passend zur Kompetenz der Lerner gestalten

  • Enthusiasmus beim Unterrichten fördert Lernfreue und wirkt Langeweile entgegen

  • Erkennen von Langeweile und ihrer Ursachen

  • Lerner über den Umgang mit Langeweile informieren

Gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Lehrern und Lernen sind jedoch nicht hilfreich, um Langeweile entgegenzuwirken. Offene und klärende Gespräche, in denen Lehrer und Lerner überlegen, was verbessert werden kann, sind besser geeignet.

Mein Kommentar:

Langeweile beim Lernen ist wie der Elefant im Raum über den keiner spricht. Aber warum eigentlich nicht? Besprechen Sie das Thema mit Ihren Lernern. Fragen Sie sie, was sie langweilt (und was nicht). Zeigen Sie Möglichkeiten auf, um mit Langeweile umzugehen und sprechen Sie auch über positive Eigenschaften der Langeweile.

Und nein, Lernen ist nicht immer spannend und aufregend (auch wenn es gern so beworben wird). Manchmal ist es kompliziert, anstrengend und eben auch langweilig. Doch wenn Lerner Strategien haben, um mit dieser Emotion umzugehen, kann das noch sehr oft im Leben weiterhelfen.

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Quelle:

Frenzel, A. C., Götz, T. & Pekrun, R. (Heidelberg : Imprint: Springer, 2015). Emotionen. In E. Wild & J. Möller (Hrsg.), Pädagogische Psychologie [Elektronische Ressource] (Springer-Lehrbuch, 2. Aufl. 2015. vollst. überarb. u. aktualisierte, S. 201–224). Berlin, Heidelberg: Imprint: Springer.

Götz, T., Kranich, M., Roos, A. L., & Gogol, K. (2018). Langeweile. Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften40(3), 663-681.

Lohrmann, K., Haag, L., & Götz, T. (2011). Dösen bis zum Pausengong: Langeweile im Unterricht; Ursachen und Regulationsstrategien von Schülerinnen und Schülern. Schulverwaltung: Zeitschrift für Schulleitung und Schulaufsicht34(4), 113-116.