Der Test-Effekt – wie Tests das Lernen fördern

Sie suchen eine effektive Lernstrategie, die leicht und schnell umzusetzen ist? Dann setzen Sie doch regelmäßig kleine Tests und Quiz-Fragen ein, um Grundlagenwissen bei Ihren Lernern zu festigen. Warum das funktioniert, lesen Sie hier.

[Anmerkung zum Text: Ich rede im Text von „Lernern“ und „Lehrern“, gemeint sind damit grundsätzlich alle Geschlechter. Außerdem beziehen sich diese Bezeichnungen nicht nur auf Personen in der Schule, sondern beispielsweise auch auf die Ausbildung und auf alle weiteren Lernumfelder.]

Der Test-Effekt

Der Test-Effekt ist schon seit über 100 Jahren in der Forschung bekannt, aber wirklich rumgesprochen hat er sich noch nicht. Viele Lehrer und Lerner denken, dass Tests nur dazu gut sind, um Lernleistung zu messen. Doch viele wissenschaftlichen Studien konnte zeigen, dass Tests auch das Lernen unterstützen und das sogar ziemlich erfolgreich. Tests zum Lernen zu nutzen, gehört zu den effektivsten Lernstrategien überhaupt (siehe Studie Dunlosky et al., 2013).

Der Test-Effekt bezieht sich somit nicht auf bewertete Tests oder Prüfungen, sondern auf nicht bewertete Tests und Quiz-Fragen. Auch Tests, die Lerner selbst durchführen (z.B. Karteikarten, sich selbst abfragen oder Selbsttests in Lehrbüchern), gehören dazu.

Wie funktioniert der Test-Effekt?

Beim Test-Effekt geht es um den aktiven Abruf von Wissen aus dem Gedächtnis. Das kann für Lerner anstrengend und mühsam sein, ist aber gleichzeitig sehr effektiv. Der Einsatz von Tests eignet sich besonders gut, wenn Lerner Grundwissen erwerben sollen, das nicht nur bis zu nächsten Prüfung hält, sondern langfristig verfügbar ist.

Beim Test-Effekt zeigen sich direkte und indirekte Effekte. Ein direkter Effekt ist, dass sich die Gedächtnisspuren im Langzeitgedächtnis stärken – sowohl über eine tiefere Verarbeitung des Wissens als auch über verschiedene Wege, auf denen das Wissen abgerufen wird. Indirekt sind Tests auch ein Werkzeug zur Selbsteinschätzung und -überprüfung, die dem Lerner Rückmeldung geben, was er bereits weiß und was noch nicht (metakognitive Ebene).

Welche Testformate eignen sich?

Am besten eignen sich Test- und Fragenformate, bei denen der Lerner die Antworten selbstständig formulieren muss, z.B. offene und halboffene Fragen oder auch das Arbeiten mit Karteikarten. Selbstständig Antworten zu formulieren ist anstrengender als das bloße Wiedererkennen von Antworten. Dennoch zeigt sich der Test Effekt auch für Multiple-Choice-Fragen, die oft schneller durchzuführen und zu korrigieren sind als offene und halboffene Fragenformate. Darüber hinaus muss das Testformat von Übungstests auch nicht mit dem Testformat einer Prüfung oder eines bewerteten Tests übereinstimmen, um das Lernen zu fördern.

Welchen Vorteil besitzen Tests?

  • Der Test-Effekt kann für verschiedene Zielgruppen (mit unterschiedlichem Wissensstand und Fähigkeiten) und Lernmaterialien eingesetzt werden.
  • Mithilfe eingesetzter Tests im Unterricht erhalten auch Lehrer eine Rückmeldung, welche Verständnisprobleme bei den Lernern auftreten.
  • Es ist eine effektive und gleichzeitig preiswerte Methode, die in der Lerngruppe oder allein durchgeführt werden kann.
  • Tests können auch mit der Strategie des verteilten Lernens kombiniert werden.
  • Regelmäßige (Übungs-)Tests können Lernern auch die Angst vor bewerteten Tests nehmen.

Tests und Feedback

Der Test-Effekt verstärkt sich, wenn Lerner zu ihren Tests auch noch Feedback erhalten. Dieses sollte jedoch zeitlich versetzt und nicht unmittelbar erfolgen. Lerner geben sich weniger Mühe, wenn sie wissen, dass ihnen die richtige Antwort sowieso gleich präsentiert wird.

Umsetzung im Unterricht

  • Erklären Sie Ihren Lernern, wie Tests ihnen beim Lernen helfen.
  • Führen Sie keine Tests direkt nach der Präsentation neuer Inhalte durch, da das neue Wissen dann noch bei den Lernern aktiviert ist. Lassen Sie etwas Zeit vergehen bevor sie den Test durchführen, damit die Lerner das Wissen auch wirklich aus dem Langzeitgedächtnis abrufen müssen.
  • Setzen Sie drei oder vier Quizfragen zu Beginn des Unterrichts ein, um wichtiges Wissen aus vorangegangenen Stunden zu wiederholen. Das Feedback, ob die Aufgaben richtig oder falsch gelöst wurden, geben Sie jedoch nicht direkt nach dem Test, sondern besser am Ende der Stunde. Und (wenn nötig) erklären Sie die richtigen Antworten.
  • Setzen Sie Tests ein, um älteres Grundlagenwissen mit den Lernern schnell und einfach aufzufrischen.
  • Geben Sie den Lernern Tests zur Vorbereitung auf bewertete Tests und Prüfungen, damit sie ihr Wissen selbstständig überprüfen können.
  • Weisen Sie Ihre Lerner auf verschiedene Lernmaterialien, die Selbsttests enthalten hin (z.B. Lehrbücher, Apps, Arbeitsblätter, Internetseiten).
  • Nutzen Sie ein paar Test-/ Quizfragen, um längere Lerneinheiten aufzulockern.

Mein Kommentar

Lerner ignorieren oft die Prüfungsfragen am Ende eines Buchkapitels. Sie haben sich schon durch das gesamte Kapitel gequält, vielleicht Wichtiges unterstrichen, sich Notizen gemacht oder das Kapitel sogar schon mehrmals gelesen. Nur leider haben sich all diese Lernstrategien als weniger effektiv erwiesen als das Einsetzen von Tests (siehe Studie Dunlosky et al. 2013). Dabei müssen es keine vorgegeben Tests sein, man kann sich auch selbst Fragen zum Lernstoff stellen oder notieren und diese mehrmals durchgehen. Für die Umsetzung von Quiz-Fragen in der Lerngruppe eigenen sich auch Clicker-Fragen, bei denen alle Lerner anonym ihre Antwort senden können. Mit Farbkarten lässt sich das Ganze auch gut ohne Technik umsetzen, obwohl es dann nicht mehr anonym ist. Es gibt also einige Variationen dieser Lernstrategie, werden Sie kreativ.

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Quellen

Brown, P. C., Roediger III, H. & McDaniel, M. A. (2019). Das merk ich mir! Erfolgreich lernen und für immer behalten mit der Make-it-stick-Methode – Für Schule, Studium und Beruf (Deutsche Erstausgabe). München: Goldmann.

Dunlosky, J., & Rawson, K. A. (2015). Practice tests, spaced practice, and successive relearning: Tips for classroom use and for guiding students’ learning. Scholarship of Teaching and Learning in Psychology, 1(1), 72–78.

Dunlosky, J., Rawson, K. A., Marsh, E. J., Nathan, M. J. & Willingham, D. T. (2013). Improving Students‘ Learning With Effective Learning Techniques: Promising Directions From Cognitive and Educational Psychology. Psychological science in the public interest: a journal of the American Psychological Society, 14 (1), 4–58.