Text und Bild? Was kann da schon schiefgehen? Einiges, wenn man die Gestaltungsprinzipien nicht beachtet. Bieten Sie Ihren Lernern lieber lernförderliches Lernmaterial an (egal ob auf Papier oder am Bildschirm), anstatt sie zusätzlich zu belasten. Worauf sie achten müssen, erfahren Sie hier.
[Anmerkung zum Text: Ich rede im Text von „Lernern“ und „Lehrern“, gemeint sind damit grundsätzlich alle Geschlechter. Außerdem beziehen sich diese Bezeichnungen nicht nur auf Personen in der Schule, sondern beispielsweise auch auf die Ausbildung und auf alle weiteren Lernumfelder.]
Haben Sie sich schon mal als Leser geärgert, wenn sich ein Text auf eine Abbildung bezieht, die aber erst zwei Seiten später im Buch abgedruckt wurde? Oder über den Inhalt eines langen komplizierten Texts, den man mit einer Abbildung sehr viel anschaulicher hätte erklären können? Dann wissen Sie auch, dass Gestaltungsprinzipien für Medien nützlich und auch lernförderlich sind.
Hintergrund der Gestaltungsprinzipien sind psychologische Theorien wie die „Cogntive Theory of Multimedia Learning“ (CTML) von Richard Mayer sowie das „Integrated Model of Text and Picture Comprehension“ (ITPC) von Wolfgang Schnotz, beide aus dem Jahr 2005. Hinzu kommen gedächtnispsychologische und Informationsverarbeitende Theorien beispielsweise zum Arbeitsgedächtnis. All diese Theorien wurden bereits mehrfach wissenschaftlich untersucht und durch empirische Ergebnisse untermauert.
Gestaltungsprinzipien
Die nachfolgenden Gestaltungsprinzipien unterstützen insbesondere Lerner mit wenig Vorwissen neue Lerninhalte zu verstehen.
Multimediaprinzip: Text und Bild
Wenn Texten hilfreiche Bilder hinzugefügt werden, fördert dies das Lernen mehr als der Text allein. Hilfreiche Bilder können dabei Lerninhalte repräsentieren, organisieren, interpretieren oder transformieren. Der Grund dafür ist, dass unser Arbeitsgedächtnis verbale und bildhafte Informationen parallel verarbeiten kann. Somit wird die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses besser genutzt. Außerdem besitzt jedes Medium seine eigenen Vorteile. Während Bilder räumliche Informationen besser darstellen können, sind Texte besser für Argumentationsketten geeignet.
Kohärenzprinzip: Nur hilfreiche Bilder
Es sollten zu Texten jedoch nur Bilder hinzugefügt werden, die den Wissensaufbau und das Lernen unterstützen. Dekorative Bilder können natürlich die Motivation der Lerner steigern. Sie können jedoch auch zu Verwirrung bei Lernen führen, wenn diese versuchen, die dekorativen Bilder auf die Lerninhalte zu beziehen. Das führt dann zu unnötiger kognitiver Anstrengung bei Lernen und belastet deren Arbeitsgedächtnis unnötig.
Kontiguitätsprinzip: Text und Bild räumlich und zeitlich nah beieinander
Anstatt Bildabschnitten Zahlen zuzuordnen und diese Zahlen dann in einer Legende oder einem Text zu erläutern, ist es besser, Bilder gleich mit den Begriffen zu beschriften (möglichst nah an die entsprechende Stelle im Bild). Das erspart dem Lerner das Suchen der entsprechenden Zahlen und somit kognitive Anstrengung, weil er zwischen Bild und Text hin und her springen muss. Darüber hinaus sollten Bilder und gesprochener Text den Lernern auch gleichzeitig präsentiert werden.
Reihenfolge von Text und Bild: Erst Bild, dann Text
Manchmal können Text und Bild, z.B. aus Platzgründen, nicht gleichzeitig gezeigt werden. Dann ist es besser zuerst das Bild und anschließend den Text zu präsentieren. Dazu ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Ihre Lerner lesen einen Text (ohne Bild) über den Aufbau einer komplexen Maschine. Anschließend lassen Sie die Lerner diese Maschine aufzeichnen. Vermutlich erhalten Sie sehr viele verschiedene Versionen dieser Maschine, da jeder Lerner sich ein anderes Modell davon vorgestellt hat. Wenn Sie nun den Lernern das tatsächliche Bild der Maschine zeigen, müssen die Lerner ihre Vorstellung mit der Darstellung verbinden. Das kann sehr schwierig sein und nicht immer zum Erfolg führen. Daher wäre es hilfreicher gewesen zuerst das Bild der Maschine zu zeigen und anschließend den Text zu lesen, denn dann haben alle Lerner schon das „richtige Bild“ der Maschine im Kopf und müssen dieses später nicht mehr anpassen. Das gleiche gilt beispielsweise auch für Diagramme und Landkarten.
Modalitätsprinzip: Gesprochener Text und Bild bzw. Animation
Für Lerner ist es hilfreicher, Bilder oder Animationen mit gesprochenem Text zu kombinieren als mit geschriebenem Text. Denn dann können sich die Augen der Lerner auf das Bild oder die Animation konzentrieren und die Ohren den gesprochenen Text aufnehmen. Liegen alle Informationen nur schriftlich vor, muss der Lerner zwischen Text und Bild hin und her springen. Das Prinzip gilt nach neueren Untersuchungen jedoch nur für kurze und wenig komplexe Texte, denn auch lange, inhaltlich anspruchsvolle, gesprochene Texte können das Arbeitsgedächtnis der Lerner überlasten.
Redundanzprinzip: Gesprochenen Text nicht zusätzlich schriftlich präsentieren
Doppelt hält besser? In diesem Falle nicht. Denn Lerner lesen den Text, obwohl sie ihn gleichzeitig hören, was zu einer doppelten Informationsverarbeitung führt. Daraus resultiert nur mehr kognitive Arbeit aber keine zusätzlichen Informationen. Das gleiche gilt, wenn Informationen aus Diagrammen zusätzlich in einem Text aufgeführt werden. In neueren wissenschaftlichen Untersuchungen ließ sich der Effekt jedoch nicht nachweisen. Es ist also weitere Forschung dazu notwendig.
Grenzen der Gestaltungsprinzipien
Die Gestaltungsrichtlinien unterliegen jedoch auch Grenzen. Viele der wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema wurden mit Studenten durchgeführt. Darüber hinaus kann es die Effekte aufheben, wenn Lerner ohne Zeitdruck arbeiten.
Zusätzlich sollte man das Vorwissen der Lerner beachten, denn die genannten Gestaltungsprinzipien sind besonders bei Anfängern lernförderlich. Sind die Lerner jedoch auf fortgeschrittenem Niveau, kann sich der Effekt umdrehen (Prinzip der Effektumkehrung bei hohem Vorwissen), da diese Lerner weniger Unterstützung benötigen und so unnötige Hilfestellung eher den Lernprozess stören als unterstützen.
Mein Kommentar
All diese Gestaltungsprinzipien zu beachten ist gar nicht so einfach. Auch ich habe bei der Erstellung des Beitrags überlegt, ob ich nicht zu jedem Prinzip ein Bild hinzufügen sollte, welches natürlich nicht dekorativ ist. Dennoch hätten die Bilder keine zusätzliche Information zum Text hinzugefügt – das entspricht wiederum dem Redundanzprinzip. Trotzdem ist es hilfreich die Prinzipien zu kennen und zukünftig bessere Entscheidungen zu treffen, wenn man sich fragt, ob man zuerst das Bild und dann den Text zeigen soll (Antwort: Ja!).
Zur aktuellen Digitalisierungsdebatte tragen Gestaltungsprinzipien ein Puzzlestück bei. Und zwar ein gut erforschtes Puzzlestück. Denn egal, ob auf Papier oder auf dem Bildschirm – oft geht es eben doch um Text und Bild.
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Quelle
Mengelkamp, C. & Baadte, C. (2018). Einsatz von Medien im Schulunterricht. In I. C. Vogel (Hrsg.), Kommunikation in der Schule (UTB, 3649. Schulpädagogik, 2., aktualisierte Auflage, S. 136–160). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
Wecker, C. & Stegmann, K. (2019). Medien im Unterricht. In D. Urhahne, M. Dresel & F. Fischer (Hrsg.), Psychologie für den Lehrberuf (S. 373–393). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.